Der Sommer ist auch die Hochsaison für Grannen. Diese torpedoähnlich-geformten Pflanzenteile können sich in den Körper bohren und durch ihre mechanische Irritation zu einer Vielzahl von Symptomen führen. Aufgrund ihrer Struktur bewegen sich Grannen immer nur in eine Richtung, auf den Körper zu. 

 

Was sind Grannen?

Grannen sind die Blütenstände des Grases. Diese werden auch als Ähre bezeichnet. Besonders von Juni bis August blüht das Gras und kann diese Bestandteile entlassen. Diese Zeit wird auch als "Grannensaison" bezeichnet. 

Grannen haben eine torpedoähnliche Struktur. Die kleinen Ähren haben auf ihrer gesamten Oberfläche kleine Widerhaken und scharfe Kanten. Sie sind derartig geformt, um sich an vorbeikommenden Tieren anzuheften und forttragen zu lassen.

 

Warum sind Grannen eine Gefahr für Hunde?

Grannen können einfach und schnell in den Körper eindringen. Sie treten durch jede Körperöffnung ein und können sich sogar durch die intakte Haut bohren. Sind sie einmal in den Körper eingedrungen, führen sie zu Abszessen, zerstören Gewebe und können potenziell tödlich sein. Sie wandern im Körper und können sogar in innere Organe vordringen.

Grannen im Ohr, insbesondere im tiefen Gehörgang können akute starke Symptome hervorrufen. Beim Hund finden sich etwa die Hälfte aller Grannen im Ohr. (1; 5) Bei Katzen kommen Grannen vergleichsweise selten vor. Wenn Katzen von Grannen geplagt werden, dann finden sie sich in der Regel im Auge. (1)

Hunde schnüffeln gern im Gras. Dabei können sie in der Grannenzeit leicht die Ähren in die Nase einsaugen. Im schlimmsten Fall wird die Granne sogar bis in die Luftröhre oder Lunge eingeatmet. Bis zu 27 % der Grannen finden sich im Brustkorb. (5) Von diesen Grannen im Brustkorb führen 22,5 % zum Zusammenfallen der Lunge (medizinisch Pneumothorax). (2) Der Pneumothorax stellt einen lebensbedrohlichen Notfall dar. Er kann innerhalb kürzester Zeit zum Tode führen. Ein nicht näher bekannter Anteil der Grannen im Brustkorb führen zu einer massiven Entzündung mit hohem Fieber und schwerer Allgemeinerkrankung.

 

Welche Hunde sind gefährdet?

Natürlich können sich Grannen nur an Hunden festhalten, die an ihnen vorbei gehen. Also finden sie sich nur, wenn Hunde in einem blühenden Grasfeld unterwegs waren. Aber darüber hinaus finden Grannen etwas häufiger bei Hunden mit mittellangem und langem Haarkleid. (5) Grannen in der Lunge finden sich überproportional häufig bei Labrador Retrievern und englischen Pointern unter 5 Jahren. (3)

 

Was sind mögliche Symptome für Grannen?

Die Symptome von Grannen beim Hund unterscheiden sich sehr je nach Lokalisation. 

 

Symptome bei Grannen im Ohr (Gehörgang)

Mögliche Folgen ohne Behandlung: Gleichgewichtsstörungen, Mittelohrentzündung, Taubheit, Trommelfellriss

 

Symptome von Grannen in der Pfote (Zwischenzehenspalt)

  • Lahmheit, humpeln
  • vermehrtes Lecken an einer Pfote
  • Zwischenzehenraum geschwollen und gerötet

Mögliche Folgen ohne Behandlung: Abszess, Infektion

 

Symptome bei Grannen im Auge

  • exzessives Kratzen am betroffenen Auge
  • Augenausfluss
  • Bindehautrötung
  • Bindehautschwellung
  • Vortreten des Augapfels (besonders wenn Grannen bis hinter das Auge gewandert sind)

Mögliche Folgen ohne Behandlung: Irritation, Hornhautverletzung, Erblindung

 

Symptome von Grannen in der Nase

  • Reiben der Nase über den Boden
  • Pfote zur Nase führen
  • starke, anhaltendes Niesen
  • Kopfschütteln
  • Nasenausfluss (z.B. Nasenbluten)

Mögliche Folgen ohne Behandlung: Irritation, Infektion, Fortbewegung in Gehirn mit meist tödlichen Folgen

 

Symptome nach dem einatmen von Grannen in Luftröhre oder Lunge

  • plötzlicher, starker, anhaltender Husten
  • schaumiger Auswurf
  • Atemnot
  • Kollaps

Mögliche Folgen ohne Behandlung: Lungenentzündung, Luftbrust (Pneumothorax)

 

Die Auflistung der Symptome kann beliebig lang fortgeführt werden. Sie hängt stark von der Lokalisation der Granne ab. Aufgrund ihres zerstörerischen Verhaltens finden sich Grannen nahezu überall im Körper. Zu den weiteren schwerwiegenden Lokalisationen gehören unter anderem die Harnblase, Vagina, Prostata, Speicheldrüse, das Gehirn und das Rückenmark. Sobald eine Granne in das zentrale Nervensystem vorgedrungen ist, ist die Prognose für das Leben des Tieres leider sehr schlecht. 

 

Was tun bei Grannen?

Sollten Sie eine Granne im Fell ihres Hundes sehen, dann entfernen Sie sie umgehend. Selbst Grannen im Bereich der Ohrmuschel können oft noch mit einer Pinzette entfernen werden, bevor sie in den Gehörgang eindringen. Sollten Sie allerdings keine Granne, jedoch die oben beschriebenen Symptome bei Ihrem Hund beobachten, raten wir Ihnen dringend unverzüglich einen Tierarzt aufzusuchen. Sie sollten in keinem Fall zuwarten. Das Abklingen der Symptome bedeutet meist, dass die Granne sich in tiefere Regionen vorgeschoben hat. In der Regel treten dann innerhalb weniger Tage oder Wochen schwere Folgeerkrankungen auf. 

 

Wie können Grannen diagnostiziert werden?

Soweit die Granne beim Eindringen beobachtet wurde, ist es recht leicht sie adäquat zu behandeln. Meist wird dies jedoch nicht beobachtet. Die starken, akuten Symptome geben dem Tierarzt einen deutlichen Hinweis, können aber natürlich auch bei anderen Erkrankungen auftreten. Leider können Grannen nicht durch Röntgen sichtbar gemacht werden. Gelegentlich können mittels Computertomografie die kleinen Ähren sichtbar gemacht werden. Jedoch ist auch dies eher die Ausnahme. 

In vielen Fällen bleibt erst einmal nur der Verdacht, bis die Granne selber vielleicht irgendwann sichtbar wird. Übrigens circa jeder 6. Patient hat zeitgleich mehrere Grannen. (4)

 

Wie kann man Grannen beim Hund vorbeugen?

Wir möchten besonders davor warnen, einen Hund durch ein Kornfeld oder im hohen Gras (mit Blütenstand) toben zu lassen. Vor allem beim Rennen und damit oft verbundenen hecheln werden Grannen eingeatmet. 

Sollte der Hund einmal doch abseits im hohen Gras gegangen sein, sollten Sie ihn unbedingt absuchen. Konzentrieren Sie sich dabei besonders auf die Ohren und das Fell im Bereich der Achseln und der Lendenregion. Auch auskämmen mit einem eng verzinkten Kamm kann hilfreich sein. 

 

Wir wünschen Ihnen und ihrem Liebling einen grannenfreien Sommer!

 

Quellen

(1) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/6345495/  

(2) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31829482/  

(3) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18546780/  

(4) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6288578/  

(5) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26914952/   

Autor: Tierärztin Frau Hartmann